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HSR-2-10 - Meine Kurzreise an Bord der MSC CAROUGE

Anfahrt nach Rotterdam und Hafenzutritt

Geplant hatte ich diese Kurzreise schon lange, aber durch Fahrplanverschiebungen und parallel laufende andere Termine war es erst jetzt soweit: Am 04.12.2019 mache ich mich per Bahn auf in den größten Hafen Europas - nach Rotterdam. Die Fahrt ist angenehm, obwohl man aus Hamburg kommend, je nach Verbindung, zwei bis drei Mal umsteigen muss. Als ich Rotterdam Centraal erreiche, wartet bereits der Fahrer eines Taxiunternehmens auf mich. 

Der Dienstleister, mit dem wir schon seit einiger Zeit zusammen arbeiten, verfügt über umfangreiche Hafengeländekenntnisse, was sich angesichts der Größe des Rotterdamer Hafens als sehr nützlich erweist. In der Vergangenheit haben wir von Kunden erfahren, dass herkömmliche Taxiunternehmen Schwierigkeiten hatten, den richtigen Weg zum Terminal zu finden und auf mich allein gestellt, hätte ich das Schiff vermutlich nie gefunden. Zunächst aber werde ich zur Einwanderungsbehörde gefahren, die man in Rotterdam, wie auch in Antwerpen, zwingend auf seinem Weg zum Schiff besuchen muss, um offiziell aus dem Land auszureisen. Sie befindet sich mitten in der Stadt, unweit vom Hauptbahnhof, aber sehr versteckt und auf eigene Faust vermutlich ebenfalls schwierig zu finden. Ich nenne das Schiff, auf dem ich mitfahren werde und zeige meinen Pass vor. Die Daten werden im System der Behörde erfasst und ich darf Richtung Hafen aufbrechen. Die Anmeldung erweist sich zunächst als beschwerlich: Offensichtlich bin ich nicht angemeldet und der Terminalmitarbeiter ist nur wenig bereit, sich darüber größere Sorgen zu machen. Zum Glück habe ich „meinen“ Fahrer dabei, der die Angelegenheit zwei Telefonate später geklärt hat und für eine E-Mail an das Terminal sorgt, die meinen Zutritt auf das Gelände gewährt. Ein paar Minuten später kann ich sie schon sehen, mein Zuhause für die nächsten drei Tage: die MSC CAROUGE.

Die MSC CAROUGE und ihr Kapitän

283 Meter lang und 40 Meter breit ist sie und obwohl ich schon an Bord größerer Schiffe war, bin ich wieder mal von diesem Ausmaß beeindruckt. Ich werde von zwei Crewmitgliedern empfangen und die Gangway hochgeführt. Es ist Nachmittag, winterlich kalt aber wunderschön sonnig und windstill. Die MSC CAROUGE liegt ganz ruhig an der Pier und wird bereits beladen. Mein Gepäck wird vom Messman Jackie auf meine Kabine, und ich vom Chief Engineer Kyrylo auf die Brücke zum Captain gebracht.

Dem Namen nach zu urteilen hatte ich einen spanischen oder portugiesischen Kapitän erwartet, Captain Rogelio Daganta ist aber Filipino und seine Geschichte ruft bei mir eine Gänsehaut hervor: 1990 hat er bei einer kleinen Reederei im Hamburger Umland als Messman, der niedrigste Rang den man an Bord haben kann, angefangen. Nur selten schaffen es Filipinos, sich bis zum Kapitän hochzuarbeiten. Daganta aber wechselte zu NSB, dem Eigner der MSC CAROUGE, wo er alle Funktionen an Bord durchlief, sein Kapitänspatent ausfuhr und mittlerweile seit 25 Jahren tätig ist. Kurz gesagt: Ein sehr erfahrener Kapitän.

Ich werde freundlich von ihm begrüßt, bekomme meine erste Mahlzeit serviert (Kaffee und selbstgebackener Kuchen) und werde auf der Brücke herumgeführt, bevor ich meine Kabine, die Eignerkammer, beziehe und mich ein wenig einrichte. Aber das Wetter und die besondere Atmosphäre im Hafen locken mich bald wieder an Deck; lassen sich die Lösch- und Ladevorgänge von dort doch am besten beobachten. 

Die Erschütterungen durch das Absetzen der Container sind nur leicht zu spüren. Die drei Brücken arbeiten gleichmäßig und fast lautlos und zaubern dabei eine wundervolle Kulisse vor der untergehenden Sonne.

Als diese untergegangen ist, ist es bereits Zeit für das Abendessen, welches täglich von 17-18 Uhr serviert wird. Für meine Verhältnisse etwas früh, aber die Seemänner sind nach getaner Arbeit sicherlich hungriger als ich. An die Bordküche angegliedert gibt es zwei Essensräume, die Crewmesse und die Offiziersmesse. Neben dem Kapitän darf auch ich in der Offiziersmesse Platz nehmen. Überraschenderweise bin ich um 17 Uhr alleine in der Messe; alle anderen trudeln erst nach und nach, teilweise erst kurz vor 18 Uhr ein. An diesem Abend werden drei Gänge serviert und nach dem Kuchen, den es erst vor anderthalb Stunden gab, ahne ich bereits, wie viel ich in den nächsten Tagen essen werde. Kapitän Daganta erzählt, dass das Ablegen für die sehr frühen Morgenstunden geplant ist und so mache ich es mir später auf der Kabine gemütlich und gehe früh in die Koje, um zum Auslaufen der MSC CAROUGE fit zu sein.

Die MSC CAROUGE verlässt den Hafen

Das Starten der Maschine weckt mich gegen 4 Uhr morgens. Bis dahin habe ich gut geschlafen und die leichten Bewegungen des Schiffes als sehr angenehm empfunden. Ich mache mich auf den Weg zur Brücke, trete nach dezentem Klopfen kommentarlos ein und suche mir einen Platz, an dem ich nicht im Weg stehe. Bis auf die Lichter der technischen Geräte ist es stockdunkel. Auf der Brücke herrscht reges Treiben und ich lausche den Gesprächen zwischen Kapitän und Lotse, der mittlerweile an Bord gekommen ist. Und ohne es bemerkt zu haben stelle ich plötzlich fest, dass wir uns bereits von der Pier entfernen. Von Schleppern begleitet, verlassen wir das Hafenbecken quasi lautlos, hinein in die tiefschwarze Nacht. Spannend wird es, als sich um 4:50 Uhr bei leichtem Wellengang das Lotsenboot dem Containerriesen nähert. Der Lotse verabschiedet sich, verlässt die Brücke und taucht kurz danach an der Gangway auf, die parallel zur Bordwand heruntergelassen wird. Von dort aus greift er nach der Strickleiter, macht einen Sprung und fährt mit dem Lotsenboot davon. Gegen 5:15 Uhr wird es auf der Brücke ruhiger und ich entschließe mich, bis zum Frühstück (7-8 Uhr) noch einmal in meiner Koje zu verschwinden.

Der bevorstehende Seetag startet so sonnig, wie der letzte geendet hat. Nach dem Frühstück verbringe ich wieder etwas Zeit auf der Brücke. Abwechselnd wird der Kapitän vom Chief Officer, 2nd Officer und/oder 3rd Officer unterstützt. Aktuell scheint es ein wenig Diskussionspotenzial zu geben. Als ich später nachfrage, ist mir die Veränderung bereits selbst aufgefallen. Wir haben ganz schön an Tempo zugelegt! Ein bevorstehendes Unwetter hat nach Rücksprache mit Reederei, Terminal in Hamburg und den Lotsen an der Elbmündung ergeben, dass wir versuchen, deutlich früher in die Elbe hinein zu kommen. Je nach Windstärke und Wellengang ist es für ein Schiff der Größe, die die MSC CAROUGE misst, nicht mehr möglich, die Elbmündung sicher zu passieren. Der ursprüngliche Plan war eine Ankunft am Folgetag gegen Nachmittag, nun steuern wir mit 22 Knoten auf Cuxhaven zu und wollen schon in der Nacht im Hamburger Hafen festmachen.

Erkundungstour auf der MSC CAROUGE

Das Wetter ist toll, die See ruhig und das Schiff wartet darauf, von mir erkundet zu werden. Ich melde mich bei Kapitän Daganta ab – aus Sicherheitsgründen und nicht weil er immer wissen muss, wo ich gerade bin – und suche auf dem untersten Deck nach einem Seemann, um mich mit einem Helm ausstatten zu lassen. Ich treffe auf Diane, die einzige Frau an Bord. Sie ist ein OS, Ordinary Seaman, und unter anderem für das Laschen, das Verzurren der Containerlaschen, zuständig, was eine enorme körperliche Arbeit darstellt. Sie gibt mir einen Helm, erklärt mir wo ich mich aufhalten darf und wo besser nicht und dann geht meine Erkundungstour los.

Rund um das Schiff gibt es einen Rundweg, auf dem man sich bedenkenlos bewegen kann. Die Reling ist allerdings nur hüfthoch, sodass man sich besonders bei Wellengang lieber festhält. Anfangs laufe ich etwas unsicher, aber je weiter ich unterwegs bin, desto sicherer werde ich. Am Bug angekommen kommt ein richtiges Seefahrer-Gefühl in mir auf, sehe ich außer dem weiten Meer, und ab und an ein anderes Schiff, nichts anderes. Meinen Lieblingsplatz finde ich trotzdem am Heck der MSC CAROUGE – der Blick auf das Kielwasser hat etwas Mystisches und Magisches zugleich.

Wenn es so viel zu erkunden gibt, vergeht der Tag wie im Flug. Hin und wieder ist steuerbordseitig schon Land zu sehen und die Anzahl der Schiffe, die wir mit unserer wirklich hohen Geschwindigkeit überholen, nimmt zu. Bisher ist von einem aufziehenden Sturm noch nichts zu merken, aber der Plan einer früheren Ankunft im Hafen geht auf: Gegen 17:30 Uhr kommt in der Deutschen Bucht auf Höhe der Position Elbe 1 der erste von insgesamt drei Lotsen an Bord, die das Schiff nacheinander elbaufwärts bis an den Liegeplatz begleiten werden. Der Seelotse begleitet uns mindestens bis Cuxhaven, kann aber auf eigenen Wunsch oder aufgrund bestimmter Umstände auch länger an Bord bleiben. In Cuxhaven steigt zusätzlich der Elblotse mit auf. Er stammt aus dem Hamburger Umland und nimmt sich die Zeit, viele Geschichten aus seinem Seefahrerleben zu erzählen, während er alle 30-60 Sekunden den neuen Kurs an den schichthabenden Offizier weitergibt. Wir bewegen uns langsam und gefühlt geräuschlos durch die an manchen Stellen sehr enge Elbe. Hoch oben auf der Brücke eines solchen Riesen sieht alles so klein aus! Als wir gegen 22:30 Uhr das Willkomm Höft, die Begrüßungsanlage in Wedel passieren, beobachte ich den mir gut bekannten Elbabschnitt bereits aus meiner Kabine heraus. Die frische Luft, die spannenden Eindrücke und das viele Essen haben mich müde gemacht. Den erneuten Lotsenwechsel auf Höhe Teufelsbrück bekomme ich schon gar nicht mehr mit…

Ausschiffungstag und Fazit zur Frachtschiffreise

Als die MSC CAROUGE gegen 1 Uhr nachts am Eurokai festmacht, schlafe ich friedlich in meiner gemütlichen Koje in der wirklich riesigen Kabine. Durchaus hätte ich auch noch in der Nacht von Bord gehen können, aber wer drei Tage bucht, möchte ja auch drei Tage bekommen.

Erholt starte ich meinen Ausschiffungstag mit dem Frühstück um 7 Uhr in der Offiziersmesse. Es ist Nikolaustag und ich hinterlasse noch einen kleinen weihnachtlichen Gruß für die gesamte Mannschaft. Gerade zu dieser Jahreszeit ist es für viele Seemänner besonders schwierig, so lange von ihren Familien getrennt zu sein. Ich kann aber nirgends ein Crewmitglied entdecken – logisch, bei der Arbeit, die nach dem Festmachen und vor allem in den ersten Stunden im Hafen ansteht: Da ist der Papierkram und auch die Vorbereitung der zu löschenden Container. Der angekündigte Sturm ist im Hamburger Hafen nur minimal zu spüren, jedenfalls für eine Hamburgerin. Auf der Nordsee sieht es aber wohl anders aus und der Kapitän und seine Offiziere besprechen die nächsten Tage - der nächste Anlauf ist Antwerpen - als ich auf die Brücke trete um mich zu verabschieden. Meine Reise war kurz und ich würde gern länger an Bord bleiben. Trotzdem habe ich einen tollen und authentischen Eindruck bekommen: Es ist und bleibt ein Arbeitsschiff und die laufenden Prozesse und die Sicherheit aller haben immer höchste Priorität! Langweilig wird einem an Bord dieses Schiffes aber ganz sicher auch auf einer längeren Reise nicht.

Die MSC CAROUGE, ebenso wie ihre beiden Schwesterschiffe, fährt auf einer 35-tägigen Reise ins Mittelmeer bis nach Israel. Was für ein schönes ganzjähriges Zielgebiet! Gern stehe ich Ihnen für Fragen und eine persönliche Beratung zur Verfügung.

Ihre Lina Wörner  

 

 

 



Lina Wörner

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